CAFÉ PHILOSOPHIQUE DÜSSELDORF
– ENTSTEHUNG UND KONZEPT –
Das Café Philosophique basiert auf einem Konzept des französichen Philosophen Marc Sau-tet, das sich seit 1992 im Pariser Bistro „Café des Phares“ bewährt hat und in seinem Buch „Un Café pour Socrate“ (dt. „Ein Café für Sokrates“) beschrieben ist. Es gibt inzwischen über 150 solcher Cafés, nicht nur in Frankreich, sondern auf der ganzen Welt.
Im Jahre 1997 kam Sautet zweimal nach Düsseldorf, um das erste deutsche Café Philoso-phique auf den Weg zu bringen, und die „Malkasten“-Gastronomie sollte bald zum Treffpunkt der Philosophie-Liebhaber werden. Ein Team begeisterter Düsseldorfer hatte sich zusam-mengefunden, um die Moderation und Organisation der Gesprächsrunden zu übernehmen, an denen jeder Philosophieinteressierte teilnehmen kann. Das Thema der zweistündigen De-batte wird vom Moderator der Veranstaltung aus den Vorschlägen der anwesenden Gäste ausgewählt. Jeder kann sich zu Wort melden, jedem wird Gehör geschenkt. Fachkenntnisse sind nicht erforderlich. Die Veranstaltungen des Café Philosophique finden heute an jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat von 16.30 Uhr bis 18.30 Uhr in der „Destille“, Bilker Str. 46, 40213 Düsseldorf statt. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Das „klassische“ Café Philosophique
Es steht im Vordergrund unserer Intention, die öffentliche philosophische Kommunikation zu fördern. Das Konzept ist heute noch der von Marc Sautet in Paris initiierte Ablauf: Zu Beginn werden aus dem Kreis der Besucher Gesprächsthemen vorgeschlagen. Der Moderator der Veranstaltung wählt eines der Themen aus und stellt es zwei Stunden zur Diskussion. Derje-nige, dessen Vorschlag aufgenommen wurde, hat die Möglichkeit, das Gespräch mit ein paar Sätzen einzuleiten: z.B. welches Interesse verbindet ihn mit dem Thema, welche Fragen er-scheinen ihm wichtig, wie steht er selbst dazu etc. Damit wird eine erste Spur für die Diskus-sion gelegt. Zudem hat er ein ständiges Rederecht – kann also auf Wunsch jederzeit in den Diskussionsverlauf eingreifen – und das letzte Wort am Ende der Veranstaltung. Es werden drahtlose Mikrophone bereitgestellt, so dass jeder die Möglichkeit hat, eigene Gesprächsbei-träge zu leisten. Selbstverständlich kann man auch nur zuhören, ohne sich aktiv zu beteili-gen. Zum Mitphilosophieren gilt, außer dem Respekt vor der Meinung des anderen, „das ei-gene Menschsein, das eigene Schicksal und die eigene Erfahrung (…) als genügende Vo-raussetzung“ (Karl Jaspers).
Alternative: Der Moderator schlägt Themen vor
In den letzten Jahren hat sich eine gelegentliche Alternative zu dem „klassischen“ Café Phil-losophique entwickelt. Dabei stellt der Moderator von sich aus einige Themen zur Auswahl, die ihn persönlich aktuell besonders interessieren. Über die Wahl des Themas des Tages entscheiden die Teilnehmer.
Das „Autorencafé“
Zusätzlich zu dem „klassischen“ Konzept finden regelmäßig „Autorencafés“ statt. Hierzu wer-den Philosophen eingeladen, die einen Beitrag zu einem bestimmten Thema veröffentlicht haben. Sie stellen ihre zentralen Gedanken vor und beziehen dazu im Gespräch mit dem Publikum Stellung.
Kann das Café Philosophique halten, was es verspricht ?
Den Möglichkeiten und Leistungen des Café Philosophique sind seiner Eigenart gemäß Grenzen gesetzt. Manch ein universitär ausgebildeter Philosoph wird die gewohnte Stringenz und Folgerichtigkeit eines philosophischen Diskurses vermissen, ebenso den hart erworbe-nen Boden philosophischen Wissens, den vertrauten Anknüpfungspunkt eines fachspezifi-schen „Nähkästchenjargons“ oder einfach nur die großen Namen und Ideen unserer Denk-tradition. Ihnen bietet das Café Philosophique die Möglichkeit, über die vermeintliche Sicher-heit eines bereitgestellten Systems oder einer Denkströmung hinaus nicht nur im Namen von …, sondern im eigenen Namen Stellung zu beziehen. Es hat sich als Herausforderung für alle Beteiligten erwiesen, das philosophische Kulturgut verständlich mitzuteilen und auf konkrete Ereignisse und Erfahrungen rückzubeziehen.
Was das Café Philosophique leistet und halten kann, kommt darauf an, was man von ihm er-wartet. Eine falsche Erwartung liegt sicher darin, endgültige Antworten zu finden, Lösungen für konkrete Probleme erarbeiten zu wollen. Das liegt in der Natur des philosophischen Dis-kurses. Unser Denken ist nicht voraussetzungslos. Einer Stellungnahme können die unter-schiedlichsten Motive, Absichten, Gründe, Argumente und Perspektiven zugrunde liegen. Daher beabsichtigen wir nicht, die Gesprächsrunde auf einen abschließenden Konsens zu verpflichten.
Aber worin liegt der Sinn eines Diskurses, der keine letztgültige Orientierung verheißt? Das „Café Philo“ kann keine Gewissheit liefern, wohl aber die Möglichkeit einer Vergewisserung. Es ermöglicht die Teilhabe an dem Meinungsreichtum und den Überzeugungen anderer und fordert heraus, unser eigenes Denken zu überdenken: unser Welt- und Menschenbild zu mo-difizieren oder zu konkretisieren. Folgen nicht aus diesem Prozess – bewußt oder unbewußt – zu einem guten Teil unsere Entscheidungen und Handlungen? Und erfahren wir uns darin nicht als wer und was wir sind?
Die Frage wird gelegentlich gestellt, ob das Café Philosophique der Philosophie letztlich nützt oder schadet, ob es sich um eine Philosophie der ersten Schritte oder eine Pseudophi-losophie handelt. Dem ist entgegenzuhalten, dass durch das Café Philosophique eine alte philosophische Gesprächskultur wiederbelebt wird. Als philosophisches Café zeichnet es sich dadurch aus, wie die „Alten“ konkrete Erfahrungen auf einer allgemeineren, grundsätzli-cheren Ebene zu erörtern und diese Erkenntnisse rückzuübersetzen, in dem Versuch, un-sere Lebenswirklichkeit mit der Frage nach der Bedeutung der unterschiedlichsten Facetten unseres Daseins zu erhellen und zu verstehen (vgl. Marc Sautet, „Ein Café für Sokrates“). Ob dies gelingt, liegt an jedem, der sich dem Philosophieren verschreibt oder sich dazu beru-fen fühlt. Beide, der in der menschlichen Denktradition Bewanderte und lebensnahe Fragen skeptisch Beäugende, wie derjenige, der der Eigenart der philosophischen Abstraktion Le-bensferne unterstellt, sind mit einer guten Portion mediterraner Gelassenheit gegenüber der Flüchtigkeit dieses philosophischen Diskurses gut beraten – und auch das ist eine philosophi-sche Haltung.
Der Schritt der Philosophie ins Café
Die unerfüllten Erwartungen an unsere wissenschaftlich- technischen Fähigkeiten fordern ein grundsätzlicheres Denken heraus. Auch mit der „Neuen Unübersichtlichkeit“, der Unsicher-heit des „anything goes“ geht ein Verlust der Geborgenheit im Selbstverständlichen einher. Wenn unsere Mit- und Umwelt fragwürdig wird, gewinnt die Philosophie wieder an Bedeu-tung. Wird die kalkulierbare Routine eines funktionalen und pragmatisch orientierten Lebens gestört, bekommt unser Dasein wieder rätselhafte, mysteriöse Züge. Wir beginnen zu hinter-fragen, zu überdenken. So werden (neue) Fragen bedeutender als Lösungen. Die universi-täre Philosophie verharrt oftmals in einer autistischen Betriebsamkeit, die „Philosophie“ auf Kosten des Philosophierens zum Tagesgeschäft erhoben hat, oft genug fernab der ursprüng-lichen Unruhe und Motive, welche die Daseinserfahrung jedes einzelnen hervorrufen.
Das Café Philosophique versteht sich als Teil eines osmotischen Prozesses zwischen der fruchtbaren Schaffenskraft der wissenschaftlichen „Elfenbeinturm“ – Gemeinde und den Her-ausforderungen konkreter menschlicher Lebensbezüge.
Nicht ohne Grund sind die ersten Cafés in einem Land entstanden, das die Kraft philosophi-scher Entwürfe unmittelbar in ihrer eigenen Geschichte erfahren konnte – in Frankreich. Der sokratischen Idee folgend, das philosophische Denken gemeinsam zu kultivieren und es je-dem einzelnen näher zu bringen, gründete Marc Sautet 1992 das erste Café Philosophique und eröffnete ein Diskursforum für einen bunten Bevölkerungsquerschnitt interessierter Bürger. Seither wurden rund 150 philosophische Cafés in Frankreich und der ganzen Welt eröff-net. Das Café Philosophique in Düsseldorf war das erste dieser Art in der Bundesrepublik. Marc Sautet eröffnete es persönlich mit einer Moderation im September 1997 in der Gastro-nomie des Künstlervereins „Malkasten“.
Zum heutigen Selbstverständnis
Das Düsseldorfer Café Philosophique stellt auch heute noch ein Forum des gemeinsamen Gesprächs zwischen Mitbürgern dar, die an der Auseinandersetzung mit den unterschiedli-chen Phänomenen unserer Lebenswirklichkeit interessiert sind. Im Vordergrund stehen nicht die Daten und Fakten, die unsere Wirklichkeit beschreiben und erklären, sondern die eigene Erfahrung und die philosophische Reflexion. Auch geht es nicht primär um „Statements“ oder „Positionsbeschreibungen“, sondern vielmehr darum, eingefahrene Denkgewohnheiten auf-zubrechen, Stellung zu den eigenen Ansichten zu beziehen.
Das Café versteht sich als ein philosophisches, weil wir grundsätzliche Fragen nach der Be-deutung der verschiedenen Aspekte unseres Daseins stellen. Das Café Philosophique möchte die Möglichkeit schaffen, unser Menschen- und Weltbild zu ergründen, zu überden-ken und zu bilden.
Im November 2016
Verantwortlich: Dr. Ulrich Teich